Angedacht von Superintendentin Dr. Igrid Goldhahn-Müller

Nachricht 23. Juni 2019

Wir müssen reden!

Von Superintendentin Dr. Ingrid Goldhahn-Müller, Stolzenau

'So wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig', beschreibt Michael Ende in seinem bekannten Buch 'Momo'. Intensiv kann das kleine Mädchen sich in andere hinein-denken und hinein-fühlen. Sie weiß, dass das vertraute Gespräch unter vier Augen Schüchterne mutig, Unentschlossene gewiss und Traurige wieder fröhlich machen kann. Aufs respektvolle Gespräch, das dem Anderen Raum lässt, kommt's an! So betonen es zu Recht alle Therapeuten und Berater unserer Zeit. Und diese ehrlichen Gespräche vertragen eben nicht den nervösen Blick aufs Handy nebenbei und den laufenden Krimi im Fernseher im Hintergrund. Schon in der Juni-Ausgabe 2012 der Zeitschrift 'Publik-Forum Extra' findet man in ernster und zugleich heiterer Weise zehn Stolperfallen aufgelistet, mit denen Sie garantiert jedes Gespräch ruinieren werden.  Da heißt es:

1. Beeindrucken Sie mit Wissen.

2. Nehmen Sie den anderen keinesfalls ernst.

3. Bleiben Sie unpersönlich und abstrakt.

4. Fallen Sie dem anderen ins Wort.

5. Rücken Sie von Ihrer Position in keinem Fall ab.

6. Verunsichern Sie durch inquisitorische oder neugierige Fragen.

7. Vertreten Sie Ihren Standpunkt unmissverständlich.

8. Schotten Sie sich ab. Machen Sie sich unangreifbar.

9. Reden Sie möglichst schnell und gönnen Sie dem anderen keine Pause.

10. Stellen Sie sich selbst nie in Frage.

Die Qualität eines Gesprächs wird also wesentlich von meiner eigenen Haltung, meiner Offenheit und meiner Bereitschaft, dazu zu lernen bestimmt. Viel zu oft belehren wir und machen uns zum Maß aller Dinge. Viel zu oft konzentrieren wir unsere Energie auf die eigenen Statements, auf die vorher schon zurecht gelegten Worte und zementieren damit unsere Urteile, wenn nicht gar unsere Vorurteile. -- Was Michael Ende von der kleinen Momo schreibt, findet sich übrigens knapp 2000 Jahre zuvor schon in der Bibel. Da wird Jesus als jemand beschrieben, der wohl zuhören konnte wie kein anderer. Mit seinen Fragen, voller Behutsamkeit und doch Dynamik, brachte er Menschen zum Nachdenken und zur Umkehr. Mit seinen Worten stellte er nie sich selbst, sondern Gott und sein Reich in den Vordergrund. Er pries die Armen und die Bedrückten selig und rief die Verantwortungsträger auf den Weg der Gerechtigkeit. Und schweigen im rechten Moment konnte er auch. Gut, sich an ihm zu orientieren!

Ihre

Dr. Ingrid Goldhahn-Müller, Superintendentin

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