Fällt Ihnen etwas an der Kreuzigungsszene auf dem Schnitzaltar der Kirche in Schinna auf? Ich selber sehe dieses 500 Jahre alte Kunstwerk eines unbekannten Meisters fast wöchentlich und bin da noch nie drauf gestoßen. Aber jetzt! Corona sei es gedankt oder geschuldet, wie man nun will. Auf dieser Darstellung ist niemand zu sehen, der unter dem Kreuz betet. Seit dem 15. März hat auch in vielen unserer Kirchen niemand mehr gebetet. Keine öffentlichen Gottesdienste gab es seitdem, weil der Gesetzgeber es so gefordert hat. Manche Menschen haben das beklagt. Andere dagegen haben Verständnis dafür gezeigt, dass es angesichts der Pandemie angemessen ist und für den Glauben nicht abträglich, wenn auf das öffentliche Gebet verzichtet wird.
„Wenn du beten willst, dann gehe in dein Zimmer“, so empfiehlt es Jesus in der Bergpredigt. Ich glaube, mehr Menschen als wir ahnen, beten zuhause, im stillen Kämmerlein. Denn es tut uns gut, wenn wir uns Zeit gönnen, dort, wo wir zuhause sind, mit Gott ins Gespräch zu kommen und ihm unser Leben anzuvertrauen. Das entlastet und schenkt Kraft. Der Rat Jesu, im eigenen Zimmer zu beten, erinnert uns daran, Beten ist etwas sehr intimes. Es geht um Gott und meine persönliche Beziehung zu ihm, es geht um das, was ich Gott sagen möchte und auch darum, was Gott mir sagen möchte. Beim Beten ist es nicht wichtig, dass Menschen mich in meiner Frömmigkeitsausübung sehen, und was andere über mich denken. Es geht um mein persönliches Gespräch mit Gott, ums Reden und vor allem ums Hören, dass ich mein Herz für Gott öffne.
Interessant ist, dass wir als Kirche, obwohl Jesus etwas anderes empfehlt, öffentliche Gottesdienste feiern und vor den Augen der Menschen Gott loben und preisen.
Was bringt das? Warum brauchen wir öffentliche Gottesdienste?
Ich glaube, es tut unserer Seele gut, wenn wir spüren: Wir sind mit unserem Beten nicht alleine. Da sind andere, die mit uns Gott anrufen und sich nach seinem Wort sehnen. Darum freue ich mich darauf, dass wir voraussichtlich ab Sonntag wieder gemeinsam Gottesdienst feiern können, damit wir in der Gemeinschaft der Glaubenden uns stärken lassen in der Freude an Gott und in der Liebe zu den Menschen.
Pastor Karsten Gelshorn, Stolzenau & Schinna