Vielfalt im Dorf
Von Pastor Dr. Joachim Diestelkamp Loccum und Wiedensahl
„Du siehst aus wie die Frau im Fernseher“, sagt der kleine Pöks zu meiner Frau, als wir uns im Klosterwald treffen. „Das ist doch dieselbe Frau“, korrigiert ihn sein älterer Bruder. Die beiden Jungs hatten meine Frau aus dem YouTube-Kindergottesdienst wiedererkannt. Da hatte sie die biblische Pfingstgeschichte erzählt, aber so, als würde das Pfingstwunder heute passieren. Vor 2000 Jahren haben Menschen aus vielen verschiedenen Nationen mit vielen verschiedenen Sprachen plötzlich die Botschaft Gottes verstanden, alle in ihren eigenen Sprachen. Die Bibel zählt 16 Sprachen und Nationen auf, die damals in Jerusalem waren. Ungefähr so viele verschiedene Sprachen werden heute sogar im kleinen Rehburg-Loccum gesprochen. Das glaubt man nicht, ist aber wahr: Die Regisseure haben sie für den YouTube-Gottesdienst Menschen aufgesucht und alle haben den Satz „Der Herr ist mein Hirte. Halleluja!“ in ihrer Muttersprache für den Film gesprochen: Hebräisch, Russisch, Serbisch, Türkisch, Polnisch, Englisch, Französisch, Afrikaans, Arabisch und Plattdeutsch. Ganz sicher gibt es noch etliche weitere Sprachen, die in den Häusern Rehburg-Loccums gesprochen werden.
Ich erinnere mich noch genau an die Sorgen und die Angst vor „Überfremdung“. In meiner Kindheit fing das an, als die „Gastarbeiter“ nach Deutschland kamen. Heute gehen wir alle liebend gern zum „Italiener“ und lassen es uns schmecken. Unsere gemeinsame Sprache ist Deutsch, aber zuhause werden viele anderen Sprachen gesprochen, viele Kulturen gelebt. Und wir haben gelernt: das geht. Das muss keine Bedrohung sein, sondern kann uns bereichern. Wir haben gelernt, uns zu verständigen, über den Gartenzaun, bei der Arbeit. Zu Anfang mit Händen und Füßen und dann in der zweiten und dritten Generation hört man nicht einmal mehr einen Akzent heraus. Heute lebt ein Stück Weltgemeinschaft in jedem Dorf und das muss niemandem mehr Angst machen. Im Gegenteil: viele freuen sich über die interessanten Nachbarn, die vieles so ganz anders machen als früher im Dorf üblich. Und wir kommen friedlich miteinander aus! Etwa 60 Jahre hat dieser Prozess gedauert. Eigentlich gar nicht so lange. Und dort, wo es friedlich zugeht und alle bereichert werden, wo wir aufeinander zugehen, miteinander sprechen und uns nicht abschotten, da ist – meine ich - der Heilige Geist am Werk. Wie vor 2000 Jahren.
Ihr
Joachim Diestelkamp, P.