Wochenendbetrachtung
Von Ingo Krause, Pastor in Warmsen
Jetzt leuchten sie wieder in die Dunkelheit hinein. Wenn es in diesen Dezembertagen dunkel wird, kann man sie schon von weitem sehen. Gemeint sind die Herrnhuther Sterne, 25 Sternspitzen mit 17 viereckigen und acht dreieckigen Zacken, die von innen beleuchtet sind. In vielen Häusern hängen sie in Fenstern oder außen im Türbereich. Mit ihrem schlichten Leuchten tragen sie dazu bei, dass abseits von Weihnachtsmärkten und dem White-Christmas-Gedudel der Radiosender adventliche Stimmung aufkommen kann.
Vor über 200 Jahren hat ein Mathematiklehrer der Herrenhuther Unität den Stern entworfen. Der Legende nach ließ er seine Schüler Sterne basteln, um ihnen geometrische Formen beizubringen. Er zeigte ihnen, wie man aus Flächen räumliche Körper macht, nämlich pyramidenförmige, die aneinander gereiht einen Stern ergaben. Der Stern verdankt seinen Ursprung und seinen Namen der Herrnhuter Brüdergemeinde, einer evangelischen Glaubensgemeinschaft.
Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf hatte im Jahr 1722 Böhmischen Brüdern, evangelischen Glaubensflüchtlingen aus Mähren, Aufnahme auf seinem Gut gewährt. Infolge der Rekatholisierung während der Gegenreformation hatten diese ihre Heimat verlassen müssen. In der neuen Heimat stellten sie ihre Gemeinschaft unter die „Obhut des Herrn Jesus“ und nannten daher ihre Kolonie Herrnhut. Ziel war die Verbreitung der christlichen Botschaft, die im Verständnis der Herrnhuter die Gleichheit aller Menschen einschließt. Nur wenig später entschloss die geistliche Gemeinschaft, ihren Glauben in die Welt zu tragen.
Sie entsandte Brüder und Schwestern aus ihrer Mitte als Missionare in entlegene Weltgegenden und gründete Missionen, unter anderem in Grönland, in der Karibik und in Nordamerika. In den Missionsgebieten waren die Lebensverhältnisse häufig widrig. Deshalb sandten die Missionare ihre Kinder, wenn diese in das schulfähige Alter kamen, in die Heimat zurück. Unter der Obhut der Herrnhuther Gemeinde bekamen sie Allgemeinbildung und eine theologische Grundausbildung vermittelt. Dazu lebten sie in Internaten. Aber das Zuhause ersetzen konnten diese Schulheime nicht. Gerade in der Advents- und Weihnachtszeit war die Trennung von den Eltern sehr schmerzhaft. Und so wurde der Stern, der als mathematischer Lehrkörper gedacht war, zum Symbol für die biblische Weihnachtsgeschichte, in welcher der Stern von Bethlehem auf den neugeborenen Heiland Jesus Christus verweist. Es entwickelte sich die Tradition, dass die Kinder am 1. Sonntag im Advent ihre Sterne bastelten und sie in ihren Zimmern bis zum Epiphaniasfest hängen ließen. So konnte der leuchtende Stern gegen das Heimweh in der Advents- und Weihnachtszeit helfen.
Der Herrnhuther Stern ist ein weltweiter Exportschlager geworden. Er leuchtet dieser Tage im Kanzleramt in Berlin, in der Sophien-Kathedrale in Kiew und auch in Ramalla, 25 km nördlich von Jerusalem, mitten im palästinensischen Autonomiegebiet. Mit seinem Strahlen erinnert er daran, dass Gott uns in Jesus Christus seinen größten Wunsch in die Welt gesandt hat: „Friede auf Erden!“
Ihr
Ingo Krause, P.