Angedacht von Superintendentin Sabine Schiermeyer

Nachricht 06. November 2021

Dorotheas Taufe

Von Superintendentin Sabine Schiermeyer

 

Eine Familie möchte ihr drittes Kind taufen lassen: Dorothea, vier Jahre alt. Wir treffen uns zum Gespräch. „Wir haben lange mit der Taufe gewartet“, sagt die Mutter. „Wegen Carolin.“ Sie streicht ihrer zweiten Tochter leicht über die Haare. Carolin, 8 Jahre alt, liegt im Rollstuhl. Sie kann nicht gehen, nicht sprechen, nicht alleine sein. 24 Stunden am Tag ist jemand in ihrer Nähe. Eine große Aufgabe. Denn auch zwei andere Kinder fordern Zeit und Liebe. Der große Jonas und die kleine Dorothea. Und dazwischen Carolin, über die die Mutter nun sagt: „Ich kann es nicht ertragen, wie die Leute sie mitleidig oder entsetzt anstarren. Unser Alltag ist nicht einfach, aber Carolin hat es gut bei uns und gehört genauso zu uns wie die anderen beiden.“

Der Vater nimmt Dorothea auf den Schoß: „Wir haben lange überlegt, ob wir noch ein drittes Kind wollen“, sagt er. „Aber als unsere Kleine kam, haben wir sie Dorothea genannt. Gottesgeschenk. Dorothea weiß, ob Carolin gut drauf ist oder nicht. Carolin wird immer ruhiger, wenn die kleine Schwester in ihren Rollstuhl klettert und ihr was erzählt.“

Am Tauftag ist Dorothea die Hauptperson und genießt jeden Augenblick. Neben dem Taufbecken steht ein Stuhl. Sie steigt zur Taufe darauf und will unbedingt, dass Carolins Rollstuhl daneben geschoben wird. „Damit sie alles sehen kann“, sagt Dorothea und beugt sich dann mit ernstem Gesicht über die Taufschale. Dreimal bekommt sie Wasser auf die Stirn gestrichen, wird getauft und gesegnet.

Die Patin entzündet die Taufkerze und liest Dorotheas Taufspruch: „Dienet einander, ein jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat.“ Jonas entzündet seine Taufkerze zur Erinnerung auch noch einmal. „Carolin kann das ja nicht“, meint Dorothea bedauernd, taucht dann blitzschnell ihre Hand in die Taufschale und spritzt ein paar Wassertropfen über ihre Schwester und alle, die sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen können. Gelächter. Dorothea erklärt: „Damit Carolin weiß, dass auch sie getauft ist!“

Dann stehen die Eltern mit den drei Kindern zum Familiensegen vor dem Altar. Noch einmal wird Dorotheas Taufspruch genannt: „Dienet einander, ein jeglicher mit der Gabe, die er empfangen hat.“ Zärtlich legt Dorothea ihre Hand auf den Arm der älteren Schwester. Es ist schon klar, welche Gabe sie mit in diese Welt bringt: Liebevoll das Leben zu achten und Starke und Schwache miteinander zu verbinden.

Ihre

Sabine Schiermeyer, Superintendentin

 

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