Erfüllte Zeit
Von Pastor Dr. Joachim Diestelkamp, Loccum und Wiedensahl
Die Kalender lügt! Eine Woche, sagt der Kalender, eine Woche war richtiger Winter. Die zweite Februarwoche. 168 Stunden Schnee und klirrende Kälte. Meine Bauchuhr zählt nicht die Stunden, nicht die Minuten und Sekunden, meine Bauchuhr zählt gar nicht, für sie zählt, ob es erfüllte Zeit war oder nicht. So ein wunderbarer Winter dieses Jahr.
Erfüllte Zeit ist wie ein vollgeblasener Luftballon, vertane Zeit dagegen wie ein leerer. Erfüllte Zeit in diesem Winter war: Seit 50 Jahren das erste Mal wieder richtig Schlitten fahren. Richtig! Meine Frau ist das letzte Mal als Jugendliche auf einen Schlitten gestiegen. Jetzt sauste sie wieder bäuchlings auf dem Schlitten liegend den Hang hinunter. Und abends haben wir im Garten eine Schneefrau mit Schneekind gebaut, als der Schnee schon leicht antaute und gut pappte. Einfach herrlich!
Erfüllte Zeit zählt nicht die Minuten und Stunden. Oder wissen Sie etwa noch, wie lang der Winter 1962-63 war, oder 1965-66, 1978-79, 87, 1995-96 oder 2010? Alles Winter mit Schnee und Eis in Norddeutschland. Ich weiß nicht mehr, wie viele Stunden und Tage wir Schnee hatten, aber ich erinnere mich an meine Versuche ein Iglu zu bauen, oder an Silvester 1978, als wir auf dem Höhepunkt der Party vom Balkon im ersten Stock in den Schnee gesprungen sind, oder wie wir im Winter 1996 über die zugefrorene Elbe gestiefelt sind. Und die Loccumer erinnern sich schwärmend an die Christvesper am Heiligabend 2010 auf dem Marktplatz. Das wird auf ewig in Erinnerung bleiben.
Erfüllte Zeit dehnt sich in der Erinnerung. Aus Sekunden werden Stunden, aus Stunden werden Tage, aus Tage werden Jahre. Erfüllte Zeit ist wie Speck für triste Zeiten. Davon zehrt die Seele.
In der Bibel steht: „Tausend Jahre sind vor Gott wie ein Tag, der gestern vergangen ist.“ (Psalm 90,4) Das gilt auch umgekehrt, dann ist ein Tag vor Gott wie tausend Jahre. Kennen Sie solche Tage? Solche Zeit, in der die Seele Vorräte sammelt. Ich fand die Wintertage in diesem Jahr solche wunderschöne, geschenkte Zeit.
Ihr
Joachim Diestelkamp, P.