Angedacht von Pastor Dr. Joachim Diestelkamp

Nachricht 19. Dezember 2020

Das Tauffest

Von Pastor Dr. Joachim Diestelkamp, Loccum und Wiedensahl

Keiner stand auf. Es war eine wunderschöne Stimmung in der Kirche. Sie blieben lange Zeit einfach sitzen.

Die Kerzen auf den großen Adventskronen in der Loccumer Kirche leuchteten von oben – und unten auf dem Taufstein leuchtete die Taufkerze für den Säugling, den wir gerade getauft hatten.

Wir saßen in einer großen Runde um den alten Taufstein von 1600, ganz Corona-gerecht immer in 5er Gruppen nach Haushalten geordnet. Die Klänge des letzten Liedes, abgespielt über eine Bluetooth-Box, hingen noch in dem uralten Gemäuer.

Normalerweise wären die Leute jetzt aufgestanden, schnell noch ein paar Fotos gemacht und dann ab ins Restaurant, alles zeitlich genau getaktet.

Aber jetzt blieben sie einfach sitzen, obwohl ich zaghaft auf Wiedersehen gewünscht hatte. Nein, alle wollten noch ein bisschen festhalten und auskosten, was gerade geschehen war. Ich habe das so noch nie erlebt. Schließlich erhob sich der Vater des Täuflings und hielt eine Rede - d.h., er versuchte es, aber bald kamen ihm die Tränen. Die Situation war wohl zu überwältigend. Die Taufmutter las weiter von dem Zettel, den ihr ihr Mann übergab, bis er sich dann gefangen hatte und die Rede zu Ende brachte. Es waren fantastische Worte an das Kind mit wundervollen Gedanken über den Taufspruch.

Dann fragte er mich, ob er vielleicht noch mit den anderen auf die Taufe anstoßen dürfe. Draußen regnete es. Gern willigte ich ein. Und flugs teilte er ganz Corona-gerecht verpackte Getränke mit Strohhalmen aus, dann noch ein kleines Weihnachtsgeschenk. Und die Leute saßen und redeten und freuten sich.

Jetzt begriff ich: Eine Tauffeier war ja jetzt nicht möglich, weder im Restaurant noch zuhause. Hier in der Kirche fand jetzt das Tauffest statt. Und so intensiv! Es war ein bisschen so wie im Stall von Bethlehem: „Sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge“, heißt es in der Weihnachtsgeschichte.

Als sich dann alle verabschiedeten, sagte eine Frau: „Da muss erst Corona kommen, damit wir merken, worauf es im Leben wirklich ankommt.“

Ihr

Joachim Diestelkamp, P.

 

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